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Stellungnahme des VCD zum Plan des CSU-Staatssekretärs Gerhard Eck eines Pilotprojektes mit autonomen Bussen auf der Steigerwaldbahntrasse

Aus Sicht des VCD handelt es sich bei dem Vorschlag eines „Schnellradweges mit autonom fahrenden Wasserstoffbussen“ um ein Hirngespinst, das jeglicher Aussicht auf Realisierung entbehrt. Es wird hier quasi versucht, der Öffentlichkeit eine verkehrstechnische „eierlegende Wollmilchsau“ auf der schmalen Trasse einer Eisenbahnstrecke zu verkaufen. Hier seien die Punkte zusammengefasst, die zeigen, dass der Vorschlag weder sinnvoll noch realistisch ist

 

 

  1. Trasse zu schmal
    Die Trasse ist für die Kombination von Busverkehr mit Radweg zu schmal. Der Unterbau einer eingleisigen Bahnstrecke ist etwa 4 m breit, das ist nur für einen Radweg ausreichend, ein Radschnellweg benötigt bereits auf dem Oberbau eine Mindestbreite von 4 m. Es gibt viele Beispiele für stillgelegte Bahnstrecken, auf denen Radwege gebaut wurden, aber selbst für eine Straße ist die Trasse nicht ausreichend. Die Trasse für einen autonomen Bus, Sicherungseinrichtungen und ein Schnellradweg (wie von der CSU vorgeschlagen) würden mindestens das Doppelte an Breite brauchen und eine enorme Flächenversiegelung bedeuten – und das überwiegend in unmittelbarer Nähe zu bereits bestehenden Radwegen und Straßen, auf denen bereits Busse fahren können. Zudem ist es eine Illusion, nur durch ein paar Absprachen mit dem Besitzer die Trasse übernehmen und asphaltieren lassen zu können. In dem Fall wäre ein Planfeststellungsverfahren nötig. Die Strecke ist ja nur gewidmet für den Schienenverkehr und nicht für eine Straße. Wer für den kostenaufwändigen Umbau, den Unterhalt sowie den Betrieb die Kosten übernimmt, ist unklar; dass all dies auf Dauer von Pilotprojekt-Forschungsgeldern abgedeckt werden soll, ist nicht realistisch.

  2. Autonome Busse für Anforderungen im ÖPNV ungeeignet
    Autonome Busse haben ihr potenzielles Einsatzgebiet im ÖPNV auf der „letzten Meile“ – also wenige Kilometer, wo sich ein Bus nicht lohnt – oder in Sondergebieten wie Flughäfen und Messegeländen. Für eine 50 km lange Strecke mit Schüler- und Pendlerverkehr sind sie ungeeignet aufgrund der geringen Geschwindigkeit und Kapazität: Die heute auf dem Markt erhältlichen autonomen Busse fahren im realen Betrieb höchstens 15 km/h bspw. beim Bad Birnbacher Pilotprojekt – die in den Werbeprospekten angegebenen Höchstgeschwindigkeiten werden real nirgendwo erreicht - und haben wenige Sitzplätze pro Bus (Kapazität max. 15 Personen bei überwiegend Stehplätzen).
     
  3. Entfall der anderen ÖPNV-Buslinien?
    Genauso wie im Falle einer Reaktivierung der Bahnstrecke stellt sich die Frage: Werden dann die parallelen Buslinien eingestellt oder weiterbetrieben? Gerade im Schülerverkehr ist die Anwesenheit eines Busfahrers auch aus Aufsichts- bzw. Sicherheitsgründen notwendig. Wenn die heute verkehrenden Busse schneller sind, wird es sicher Proteste gegen die Einstellung geben; werden sie aber weiterbetrieben, lohnt sich das Autonome-Bus-Projekt nicht. Um die im Umfeld von Schweinfurt laut BEG-Gutachten zu erwartenden Fahrgastzahlen zu bewältigen, bräuchte man eine Unmenge an PeopleMovern (1300 Fahrgäste zwischen Schweinfurt und Gochsheim – woraus sich eine maximale Nachfrage von etwa 100 Fahrgästen in der Spitzenstunde ableiten lässt).
     
  4. Kreuzungspunkte ungeklärt und kritisch
    Die Frage, wie die Kreuzung der Strecke mit „normalen“ Straßen funktionieren soll, ist völlig ungeklärt, sowohl technisch als auch finanziell, während diese Dinge im Falle von Bahnübergängen klar geregelt sind. Wer soll dann Vorfahrt haben? Wenn die autonomen Busse auch noch an vielen Kreuzungen warten müssen, werden sie noch langsamer, wenn aber die autonomen Busse, wie Schienenfahrzeuge, überall Vorfahrt haben, ergeben sich Staus, die die an Bahnübergängen weit übertreffen, da aufgrund der geringen Kapazität weit mehr autonome Busse passieren würden als Züge. In jedem Fall müssten an zahlreichen Stellen Ampel- und zusätzliche Sicherheitsanlagen installiert werden, um zu verhindern, dass Verkehrsteilnehmer irrtümlich die asphaltierte Autonome-Bus-Trasse nutzen.
     
  5. Technologie des autonomen Fahrens auf gesperrter Strecke unsinnig
    Der Vorschlag, eine Pilotstrecke für autonomes Fahren auf einer gesonderten Trasse einzurichten, zeigt ein tiefgreifendes Unverständnis der Technologie Autonomes Fahren, da diese ja gerade dadurch weiterentwickelt wird, dass die Fahrzeuge lernen, mit den unterschiedlichsten Situationen des normalen Straßenverkehrs klarzukommen, was auf einer autonomen Fahrzeugen vorbehaltenen Sondertrasse nicht möglich ist. Genau genommen handelt es sich um einen Spurbus – eine Technologie, die seit den 1970er Jahren vereinzelt existiert, allerdings überwiegend wieder aufgegeben wurde. So wurde der Spurbus in Caen/Frankreich mittlerweile zur Straßenbahn umgebaut. Autonome Busse hingegen sind in der Lage, den normalen Straßenraum (in der Regel abseits vielbefahrender Straßen) zu benutzen, sie benötigen keine eigene Trasse.
     
  6. Zukunft einer evtl. Realisierung in weiter Ferne
    Bei den derzeit betriebenen Pilotprojekten für autonome Busse ist immer ein Operator an Bord, der im Notfall eingreifen kann. Das autonome Fahren auf Level 5 (ohne Person, die eingreifen kann) ist reine Zukunftsmusik, und es ist auch zweifelhaft, ob dies rechtlich möglich ist. Wer haftet im Falle von Unfällen? Die Wiener Straßenverkehrskonvention verbietet derzeit das Fahren von Fahrzeugen ohne eine Person, die im Notfall eingreifen kann. Außerdem ist die Tauglichkeit im Winterbetrieb nicht erwiesen; der Betrieb des autonomen Busses in Bad Birnbach wird bei starkem Regen, Schneefall oder viel Laub auf dem Fahrweg eingestellt, weil die Sicherungsgeräte in den Fahrzeugen sehr empfindlich auf Abweichungen vom Soll reagieren.
     
  7. Kosten für spurgeführte autonome Busse ohne Vorteil
    Da Spurbusse bzw. autonome Busse immer exakt dieselbe Spur befahren, sind die Ansprüche an die Fahrbahn zur Minderung der Spurrillenbildung, für die Verbesserung der Fahrdynamik und für die Spurführungssysteme so hoch, dass die Kosten mit denen eines normalen Gleiskörpers vergleichbar sind.
     
  8. Abhängigkeit vom aktuellen Besitzer
    Durch die Widmung als Eisenbahnstrecke ist die Trasse derzeit vor Zerstückelung geschützt. Im Falle einer Entwidmung wird der Besitzer, das Gleisabbauunternehmen Meißner, eine den möglichen hohen Profiten beim Verkauf der einzelnen Grundstücke entsprechende Summe verlangen, um die Trasse dem Pilotprojekt zur Verfügung zu stellen. Die öffentliche Hand ist da in einer ganz schlechten Position – während der (Rück-)Kauf durch ein Eisenbahnbetriebsunternehmen wesentlich kostengünstiger ablaufen könnte, da aufgrund bestehender Widmung alternative Nutzungen nicht möglich sind.
     
  9. Zuständigkeiten erfordern Ausschreibungen
    Politisch ist das Vorhaben nicht so leicht umsetzbar wie etwa ein Pilotprojekt, das den bestehenden ÖPNV kleinteilig ergänzt (was durchaus wünschenswert wäre). Zuständig für die Planung und Durchführung des ÖPNV sind die Landkreise und kreisfreien Städte. Die derzeit geltenden Nahverkehrspläne haben rechtlich bindende Wirkung und müssten erst einmal geändert werden; dies wird aber nicht durchzusetzen sein, bevor nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Selbst wenn für ein Pilotprojekt Gelder aus dem Forschungsetat mobilisiert werden können, stellt sich die Frage, wer nach dem Ende des Pilotprojekts die Betriebskosten übernimmt. Dass die CSU ohne Ausschreibung bereits die Auftragnehmer (ZF und DB Regio Bus) nennt, erscheint rechtlich äußerst zweifelhaft, wenn es sich um regulären ÖPNV handeln soll (Ausschreibung erforderlich nach Verordnung 1370/2007/EG).
     
  10. VCD sieht als sinnvolle Lösung die Kombination des Schienen-ÖPNV mit autonomen Bussen
    Im Ergebnis kombiniert das Projekt die Nachteile der Bahn (benötigt eigene Trasse) mit den Nachteilen von Bussen (geringere Geschwindigkeit, wenig Platz, keine Möglichkeit zum Lesen/Arbeiten/Sich-Bewegen). Die Vorteile der Bahn wie höherer Fahrkomfort, Möglichkeit zu lesen, am Laptop zu arbeiten, das eigene Fahrrad mitzunehmen, großzügige Toiletten, die zu einer deutlich höheren Akzeptanz der Bahn führen („Schienenbonus“ – führt zu hohen Fahrgastzuwächsen, wie sich an zahlreichen Beispielen belegen lässt) werden jedoch nicht ausgespielt. Die Formel müsste lauten: nicht „autonome Busse statt Steigerwaldbahn“, sondern „Steigerwaldbahn PLUS autonome Busse“ – die an den Haltestellen bereitstehen könnten, um Fahrgäste in die nächstgelegenen Dörfer zu bringen. Damit ließe sich der Einzugsbereich der Haltestellen und dadurch auch das Potenzial bedeutend steigern. Für den ÖPNV auf einer bedeutenden Achse wie Kitzingen – Gerolzhofen – Schweinfurt ist autonomes Fahren jedoch untauglich.

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